Dass auf die Fitnesswelt der Spruch "mehr Schein als Sein" oft zutrifft, habe ich schon lange befürchtet. Nun aber, da sich immer mehr Zeitgenossen mit den Themen Fitness, Sport, Lifestyle und Ernährung befassen (und sich darin ausskennen) und die Themen im Internet allgegenwärtig kultiviert und bewirtschaftet werden, nimmt das Ganze ein sonderbares Ausmass an: Ich trainiere also bin ich?! Oder ich poste also bin ich?! Oder trainiere ich nur, wenn ich auch poste? Gesund wirds mit dem Klick "veröffentlichen"? Wie geht das genau?
So konstruiere ich das Bild meines Lifestyles, währenddem ich kaum mehr lebe? Gleichzeitig empfinden viele den Druck der sozialen Medien als gross - und reiten auf der gleichen Welle mit. Das verstehe ich nicht und stelle mir die Frage:
Mit einem gegebenen Mass an Energie: verwendet man die Energie lieber dazu, sich gut zu fühlen? Oder nutzt man die Energie lieber um der Welt zu zeigen, wie gut man sich fühlt? Mehr Sein oder mehr Schein?
Sicherlich bin auch ich der Meinung, dass Bewegung und Ernährung zu mehr Wohlbefinden beitragen können. Zweifelsfrei. Wir kennen die Studien und die Erfahrung lehrt die meisten von uns, dass Sport auf Körper und Geist einen positiven Effekt hat. Super! Aber Sport, Gesundheit und gutes Aussehen als Lebensinhalt? Likes als Mass der Anerkennung?
Sport als Leidenschaft kann ich gut nachvollziehen, aber Selbstoptimierung in aller Öffentlichkeit? Fit und schön sein als oberstes Gebot und Ziel? Präsentation der eigenen Welt auf sozialen Medien als tägliche Routine? Das finde ich schon bedenklich.
Geht zu weit. Für mich als Person. Auch als Trainerin. Als Studiobesitzerin.
Wer bei uns trainiert, dem wünsche ich:
- dass er spürt, dass Sport nicht Energie frisst, sondern langfristig freisetzt.
- die Erkenntnis, dass sich durchbeissen, sich lohnen kann: Für das Gefühl nach dem Training. Und dafür, dass man sich selber verändern kann. Den Körper und auch die mentalen Fähigkeiten.
- dass er spürt, wie viel unser Körper leisten kann. Darauf kann man stolz sein. Und man kann dankbar sein.
- dass regelmässiger Sport und Bewegung ein Teil des Alltags ist: für die Gesundheit und auch, weil es Freude bereitet.
- das Bewusstsein, dass die Gesundheit zu einem Teil beeinflussbar ist und wir selber Verantwortung übernehmen können.
- dass man auch ohne schlechtes Gewissen ein (! 😉) Training ausfallen lassen kann: für ein Essen mit Freunden oder weil man einfach spürt, dass es an diesem einen Tag nicht passt.
- langfristig ein gutes Körpergefühl! Am Morgen im Spiegel ohne Filter! Und hey: Nobody is perfect- so what!
Klar dürft ihr auch posten, dass ihr bei uns im Steiger Training wart, aber das Training gilt auch ohne Post!
Einmal umkehren: von aussen nach innen. Heisst für mich: Statt nach aussen zu präsentieren, nach innen zu fühlen! Zu spüren, was einem gut tut. Dem Druck von Aussen zu widerstehen und einfach auf sich selber zu hören. Für sich selber zu trainieren. Vielleicht statt dem Tempo nachzurennen, die Natur geniessen. Dem eigenen Körper die Nahrung zu geben, die er verdient. Bewusst und mit Genuss. Sich Ruhe und Entspannung gönnen. Nichts tun. Mit Freunden ausnahmsweise mal über die Stränge schlagen. Auch das gehört doch dazu?
In dem Sinne, wünsche ich euch einen schönen Sommer und hoffe, ihr geniesst es so richtig!